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Donnerstag, 21. Januar 2016

Auroville, Tamil Nadu/ Indien, Reisebericht Januar 2016



Wikipedia: Auroville (City of Dawn) is an experimental township in Viluppuram district in the state of Tamil Nadu, India, near Puducherry in South India. It was founded in 1968 by Mirra Alfassa (known as "The Mother") and designed by architect Roger Anger.[1][2][3] As stated in Alfassa's first public message about the township, "Auroville is meant to be a universal town where men and women of all countries are able to live in peace and progressive harmony, above all creeds, all politics and all nationalities. The purpose of Auroville is to realize human unity."
Haben die Siedler es geschafft, eine friedlichere Gesellschaft zu gründen? Gilt das Experiment als gelungen? Wer fährt sonst dorthin und warum? Was ist Yoga? Diese Fragen haben mich beschäftigt und hierher geführt.



Ich bin am Nachmittag über Dubai in Chennai/Tamil Nadu  gelandet, habe dort eine Nacht verbracht. Am folgenden Tag fahre ich über Puducherry (hier gibt es ein Ashram) nach Auroville. Die Fahrzeit  von Chennai beträgt mit dem Auto etwa 2 Stunden an der Küste nach Süden, vorbei an entstehenden Hochhaussiedlungen, mit „spectacular sea view“,   durch wie überall in Indien Müll verstopfte Straßen mit Aneinanderreihungen von zahllosen kleinen Läden, die von Abflussrohren über Früchte bis zu offensichtlich sehr alten geschnitzen Türen alles verkaufen, was man sich nur vorstellen kann. Dazwischen Straßenabschnitte am Wasser entlang, der Strand ist kräftig gelb, der Golf von Bengalen sieht trotz sonnigem Wetter eher bleifarben aus. Kurz vor Puducherry geht es ins Landesinnere, nach etwa 20 Minuten Sandpiste das Schild Auroville.
 Die Landschaft ist ein licht bewaldetes Plateau, Gruppen von Palmen verschiedener Art wechseln sich mit Laubbäumen ab; manches blüht, es ist das beginnende Frühjahr hier. Aktuell leben ~2.400  “residents” in Auroville, zusätzlich am Tag 3.-5.000 Arbeiter und die Gäste.   In die zahlreichen „guest houses“ kann man sich einmieten (über das Internet). Ich erhalte ein Zimmer im gut beschatteten Center Guest House.  Sehr freundliches Willkommen und ich gelange in ein einfaches aber blitzsauberes Zimmer mit Bad und Balkon (1. Stock sehr angenehm, meist weniger mögliches Ungeziefer und etwas kühler, Preis/Tag 600 Rps = 10 Eu  incl Fahrradnutzung, Frühstück und Dinner).
 In dem Speisesaal gibt es um 15 Uhr Kaffee und Tee und solcherart gestärkt setze ich mich auf mein (recht „indisches“) Fahrrad, es ist solide und tut seinen Dienst. Es gibt eine Karte über das weite Wegesystem und so suche ich das „Visitor center“.  Auf dem roten Sandweg ist viel Verkehr, Motorräder und Fahrräder, wenige Autos. An einem Veranstaltungbrett erfahre ich, was ich alles machen kann. Vieles davon ist im Preis inbegriffen, Spenden sind willkommen. Schnell fasse ich den Plan an einer  Yoga und einer Pilatisklasse teilzunehmen.  Außerdem gibt es abends fast täglich Kino.  Das Visitor center ist ein Kommunikationscluster mit einigen shops (klassisch wie überall Kleidung, Schmuck, Präsente und Erinnerungsstücke) und Restaurantbuden.





Ich entscheide mich für eine Art Gartenlokal. Es  wird miteinander viel gesprochen, teils in Gruppen, teils Paare; ich zähle rasch einmal und sehe doch in mehr als der Hälfte der Personen um mich herum auch ein Handy  in der Hand oder auf dem Tisch. So sind also die meisten Anwesenden  noch nicht wirklich weggefahren von zu Hause.


Bei Tee und einer Somosa (gefüllte Teigtasche) kommt man gleich mit Nachbarn ins Gespräch.  Birgit, Julia und Bettina sind auch aus Hamburg. Sie sind in einer Gruppe hergefahren, die einen Kurs Geistheilung (man ruft dabei Engel zur Hilfe)  und Schamanentum (man kontaktiert Geister) absolviert. Wegen der besonderen „Schwingungen um Matrimandir“ sei das sehr erfolgreich hier. Matrimandir ist der goldene Augapfel, das Zentrum von Auroville.
Ich habe als Ärztin im Hospiz mehrfach Patientinnen mit derartiger Unterstützung erlebt, bei denen  bei weit fortgeschrittener Erkrankungssituation das „Anhängen“ an Unterstützung durch Heiler oder Schamanen nicht mehr lösbar war und traumatisch mit dramatischen Telefonaten am Lebensende  endete und bleibe skeptisch.
Matrimandir möchte ich natürlich unbedingt auch sehen (und „fühlen“?). Die Anmeldung ist allerdings kompliziert (nur von 10-11 und 14 -15 Uhr, niemals Dienstags, für den nächsten „freien“ Tag, man erhält eine Art Pass und muß dann morgens um 9 Uhr am Visitor center erst einen Film sehen beim ersten Mal). Heute war es zu spät für diese Anmeldung und ich verschiebe  sie auf Mittwoch wie auch Vittorio aus Rom. Bei einem Glas frisch gepressten Ananassmoothy berichtet er von einer Einführungsklasse Integrales Yoga für morgen früh und das lockt mich, dafür melde ich mich erst einmal an. Durch die Dunkelheit (ab ca 18 Uhr, Taschenlampe für das Rad mitbringen,  Achtung Mückenalarm) fahre ich zurück. Um 19 Uhr gibt es Abendessen (2 Sorten Reis, Gemüsecurry, Salat, Wasser und Tee). Man isst gemeinsam an großen Tischen und lernt auch hier wieder rasch die Menschen kennen. Vera ,auch aus Deutschland, ist Physiotherapeutin, gibt Yogakurse und lernt hier dazu. Louise aus Marseilles kommt für 4 Wochen zur  Meditation; für sie ist HIV eine medizinische Weltverschwörung zu Gunsten der Pharmaindustrie; auch sonst hat sie über viele medizinische Sachverhalte eigene Vorstellungen. In ihrem beruflichen  Leben ist sie studierte Verwaltungsbeamtin.

Nach dem Essen wird im Schutz der Mückengitter hier von vielen mit Laptops hdys etc wieder andere Kommunikation gesucht, aber auch recherchiert und gearbeitet. Ich werde bald müde und ziehe mich in mein Zimmer zurück. Die nächtlichen Vogelgeräusche und ab und zu bellende Hundegruppen halten mich  nicht mehr lange wach.

Am folgenden morgen findet meine Yoga Klasse statt. Der Lehrer, Artu Wishnu, ganz in heller Baumwolle gekleidet ist sanft und freundlich, wie man sich einen Yoga-Lehrer vorstellt und sehr kompetent. Der Unterricht findet in dem Bagh-zentrum statt, ein weiterer beeindruckender Bau auf dem großen Gelände.Die 25 internationalen Teilnehmer haben überwiegend wie ich auch noch keine Yoga-Erfahrung.







Der Kurs bietet  eine theoretische  Einführung in integrales Yoga.mit einer Medtation  und Gruppenübungen zum  kennen lernen und Vertrauen bilden. Alle sind begeistert, die 3 Stunden vergehen wie im Fluge, im Anschluß werden noch Bücher mit Texten von Sri Aurobindo und The Mother angeboten. 













Der kleine Ganesha steht im Garten meines Guest houses. Er symbolisiert vieles Positive und so gibt es im  Hinduismus  häufige  Gelegenheiten, ihn zu feiern. Nach dem Kurs suche ich Ruhe auf meinem Zimmer und schlafe erst einmal tief ein; keine Ahnung, warum ich so müde bin.
Nach dem Tee mache ich mich wieder mit meinem Rad auf und suche eine Pilatis Klasse  in einem weiteren Unterrichtszentrum. Die Ausschilderung ist nicht gut und ich habe Mühe,rechtzeitig hinzufinden. Der Weg führt über das Solar Cafe, das ich mir auch noch anschauen will. Es gibt hier eine luftige Dachterrasse, die besonders von den Jugendlichen der Siedlung frequentiert wird. Ich lerne eine "resident" kennen, die mir sehr freundlich über ihr Leben hier Auskunft gibt. Natürlich sei es keinesfalls Konflikt frei. Im Laufe der Jahre habe es auch mehr Regeln geben müssen. Aber die Meisten könnten sich sehr nach eigenen Vorstellungen hier entfalten. Der Pilatis Unterricht ist recht schwer für mich, alle anderen haben schon Erfahrung , aber ich werde freundlich unterstützt und fühle mich gut gelockert und gedehnt anschließend.
Das Abendessen nehme ich rasch ein, um mich dann um 20Uhr zum Kinofilm neben der Town Hall einzufinden. Es wird der britische film Pride gespielt. Es ist nun stockfinster und meine Stirnlampe leistet  mir auf dem Fahrrad gute Dienste. Es ist aber doch etwas unheimlich links und rechts mit urwaldartiger Vegetation und fremden Nachtgeräuschen zurück ins guest house zu fahren.  Dort sitzen immer noch ein paar Unermüdliche im Mücken geschützten  Speisepavillion  am Laptop. Um 22.30 bin ich wieder sicher in meinem Zimmer und lege mich schlafen.

 Das indisch/aurovillian Frühstück

 Am folgenden morgen möchte ich  Pondicherry  erkunden, das etwa 10 km entfernt liegt. Auf dem Weg dorthin finden sich zahllose kleine Läden am Strassenrand mit preiswerter Kleidung, die auch von den „Fremden“  gerne frequentiert werden. Einkaufen bleibt auch hier offenbar eine beliebte Beschäftigung. Ich fahre in das vielgerühmte französische Viertel. Die Strandpromenade enttäuscht mich, sie wirkt kahl und gar nicht einladend, hier finden sich einige Botschaften. In zweiter Reihe ist es angenehm schattig . Hier  sieht das Strassenbild etwas europäisch aus. In einem Hinterhof hängt eine übrig gebiebene Weihnachtsdekoration

 Es gibt einige indisch-französische Lokale und kleine Läden.

 Zum Mittag gehe ich in das Restaurant Rose; ich hatte mich auf Steak/Frites gefreut, nach 4 Tagen vegetarischer Küche, aber das gibt es nicht. Also verschlinge ich ziemlich gierig einen sehr leckeren Cheeseburger;  dazu gehört noch ein reizender Laden mit Wäsche und Schmuck wo ich im Anschluß noch etwas stöbere.

Dann muß ich zurück, um meine Anmeldung für Matrimandir zu absolvieren.



Nur morgens von 10-11 und nachmittags von 2-3 kann man im Visitor Center einen sogenannten Besucherpass für das Mitrimandir Meditationszentrum erhalten.

A place...for trying to find one's consciousness.
It is like the Force, the central Force of Auroville, the cohesive Force of Auroville.


The Mother


Man wartet erst in einem Warteraum, wird dann befragt, ob man schon einmal dort war.Erst erscheintes nicht mehr möglich, für den nächsten Tag Eintritt zu bekommen, da alle möglichen Plätze (ca 500/Tag) schon vergeben seien, dann erhalte ich aber doch noch eine Genehmigung und bin recht erleichtert, denn es ist mein vorletzter Tag hier..
 Am Nachmittag fahre ich wieder etwas mit dem Fahrrad herum um sitze im Cafe. Ich lerne ein Ehepaar kennen, das hier seinen Sohn und den Enkel besucht, die schon einige Jahre hier leben. Sie berichten von den Möglichkeiten, sich hier ein Leben aufzubauen, ein Haus zu bauen. Man kann jedoch nichts mitnehmen, nichts verkaufen, wenn man geht. Wieder in ein anderes Leben zurück würde nicht einfach sein, besonders für Ältere.





 Für kranken versicherte Nordeuropäer ist die nicht vorhandene Absicherung des bezüglich besonders im Alter auch ein Problem.  Das indische Gesundheitssystem bietet in den sog General Hospitals im Vergleich zu den meisten europäischen  Ländern noch eine recht spartanische Versorgung; alternativ geht man in Privatkliniken. Diese könnte man bei einem Auroville-Einkommen von ~ 15.000 Rup (250 Eu) 
jedoch nicht bezahlen. Ich vermute, dass das Elternpaar seinen weit erwachsenen Sohn auf verschiedene Weise unterstütz. 








Im 9 Uhr ist Treffen im Visitor Center, dann sieht man sich in einer Gruppe von ca 80 Personen einen Film über die Ursprünge von Auroville und den Bau von Matrimandir an. Dieses Gebäude ist neben der Schönheit anderer Gemeinschaftsgebäude doch  herausstechend. In einem großen Park gelegen, in dem es einen weiteren großen Versammlungsplatz gibt, der mich ein wenig an Riefenstahl- Photos der Berliner Olympiade erinnert, bildet die riesige goldene Kugel, ca  vier Stockwerke hoch, die auf ihren Trägern zu schweben scheint, den Mittelpunkt. Ringsherum ist mit zwei verschiedenen braun-rot Tönen gefliest. Unter der Kugel befindet sich eine große Mulde mit Sitzplätzen ringsherum, in deren Mitte eine auf weißen Marmorschuppen Wasser umspielte Kugel liegt, die Licht aus der Goldkugel erhält. Diese Mulde bildet eine Art Kellergeschoss; ringsherum befinden sich in steinernen Sockeln kleinere Meditationsräume. Die untere Kugelfläche  bildet die Decke. So nahe daran erkennt man, dass die Kugel von einer inneren Reihe goldener konvexer Scheiben  und einer äußeren Schicht konkaver Scheiben  bedeckt ist. Sie haben jeweils einen Durchmesser von von ca 80 cm und sind mit  ca 2.400 Mosaiksteinchen bedeckt, Glas mit Goldschicht, die die Farbe und Reflexion erklären.
Der Eingang ist ein Weg in Form einer  schrägen Ebene. Innen angelangt ist ein großer Raum in milchig warmem Licht, viel weißer Marmor mit einem Kern.  Ein gewundener Weg führt auf eine erste Ebene, wo alle weiße Socken erhalten. Weiter geht es Schnecken förmig inzwischen lautlos in Socken auf weißem Teppichboden nach oben. Dann stehen wir vor dem Eingang in das „Innere“.  Hineingelangt stockt mir erst einmal der Atem. Es öffnet sich eine großer rundlicher Raum, ca 20 m hoch, 16 Wandteile, alles weißer Marmor, gedämpftes Licht, in der Mitte dann ein senkrechter Lichtstrahl aus dem Dach, ca 30 cm breit. Im Dach befinden sich Spiegel, die je nach Richtung der Sonnenstrahlung diese einfangen und bündeln. Der Strahl fällt  wie eine Säule in der Mitte des Raumes in eine große Kristallkugel am Boden. Sie wiegt > 1.000 kg und wurde in Deutschland bei Zeiss hergestellt. Der Strahl fällt durch  sie hindurch  durch ein Loch im Boden, durch die gesamte Goldkugel am Boden wieder heraus und unter sie bis in den Marmorschuppenbrunnen am Grund, den wir zu Anfang besuchten. Oben in dem Meditationsraum  stehen in einem großen Kreis weiß-marmorne Säulen, die kurz unter dem Dach des Gewölbes enden, also gar nicht tragen, aber die Höhe betonen. Es gibt eine innere Reihe von Sitzkissen zwischen den Säulen und eine außen entlang der Wand.
Alle setzten sich in den zwei  Kreisen und es kehrt eine große Stille ein. Die verschiedenen Interpretationen der erlebten Gefühle in diesem Raum , die ich in den vergangenen Tagen gehört habe, gehen mir durch den Kopf, die beschriebenen „auftankbaren“ Kräfte und erlebbaren „Schwingungen“ . Bildscenen aus „star wars“  und anderen Science fiction- und Fantasyfilmen tauchen in meiner Erinnerung auf. Der Mensch ist sehr beeindruckbar durch Monumentalität und Schönheit der Architektur. Die Freude daran tut uns sicher gut. Vielleicht wird dieses Gefühl als Kraftquelle erlebt und von Manchem fehl interpretiert? Auch ich bin sehr beeindruckt von diesem Bau, aber er ist „Menschenwerk“ und dahinter steht manches Mal der Wunsch nach Manipulation.
Nach zwanzig Minuten ist die Meditationszeit vorbei und wir werden gebeten, herauszugehen, die nächste Gruppe wartet. Ich wandere noch ein wenig durch den Park, unter großen Ganjibäumen befinden sich Bänke und einzelne Menschen sitzen und meditieren. Eine friedvolle Stimmung. Photographieren ist hier nirgends erlaubt.

Am Parkausgang wartet der kleine Bus, der die Besucher zurück zum Visitor Center bringt.
Ich hatte am morgen versucht, auszuschecken, aber das Guest- house kann keine Karten annehmen, So wurde ich  vertrauensvoll gebeten, in die Town-Hall zu fahren, wo die Geldgeschäfte erledigt werden. Für längere Aufenthalte kann man sich eine Auroville- Geldkarte geben lassen, die man auflädt. Das große Büro der Town-Hall voll mit Schreibtischen an denen Mitarbeiter mit Residents wie auch Gästen sitzen und Geldprobleme lösen summt vor Aktivität. Die Schreibtische sind voll mit Papieren. Man hört verschiedene Sprachen.  Ich bin jedoch nach kurzer Zeit dran, kann mit Kreditkarte die eher kleine Summe bezahlen und fahre fort.

Vielleicht komme ich tatsächlich noch einmal wieder.

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